Brief an den Innenminister -Land Brandenburg
Fußballfans in ganz Deutschland haben in den letzten Wochen vielfältig für den Erhalt der Fankultur demonstriert. Auch aktive Fans des SV Babelsberg 03 beteiligten sich am Protestmarsch in Leipzig und am zwölfminütigen Stimmungsboykott am vergangenen Wochenende. Wir begrüßen den Protest gegen die vorliegenden Vorschläge für die Innenministerkonferenz nächste Woche und schließen uns der Kritik an den Plänen als Vereinsführung ausdrücklich an.
Wir brauchen Vertrauen und Dialog zwischen Fans, Vereinen und Behörden. Politik und Verbände dürfen nicht Misstrauen, pauschale Verdächtigungen und neue Repressionsmechanismen befördern.
Fußball lebt von Emotion, Vielfalt und Engagement vieler Menschen – das erleben wir hier beim SV Babelsberg 03 tagtäglich. Diese Werte gilt es in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen zu schützen. Unsere aktiven Fans sind ein elementarer Teil unserer Vereinsidentität. Deshalb sehen wir es als unsere Pflicht an, uns für eine lebendige, sichere und offene Fankultur einzusetzen.
Vor diesem Hintergrund haben wir heute gemeinsam mit dem FC Energie Cottbus und dem FSV 63 Luckenwalde einen Brief an den Innenminister des Landes Brandenburg, René Wilke, geschickt. Dies zeigt eine klare Haltung großer Fußballvereine im Land, an der Beschlüsse nicht vorbeigehen dürfen.
Der Brief im Wortlaut:
Potsdam, den 27.11.2025
Sehr geehrter Herr Innenminister,
mit großer Sorge blicken wir – die größten Fußballvereine im Land Brandenburg und ihre aktiven Fans – auf die für die Innenministerkonferenz vom 3. bis 5.12.2025 kursierenden Vorschläge in Bezug auf Stadionverbote, Ticketvergabe und Überwachungsmaßnahmen. Wir begrüßen die aktuellen friedlichen Proteste von Fußballfans in ganz Deutschland – über die verschiedenen Ligen hinweg – und stellen uns an die Seite unserer Fans, um gemeinsam die Fan- und Fußballkultur in Deutschland zu erhalten. Wir fordern Sie als zuständigen Minister für Inneres des Landes Brandenburg dazu auf, sich ebenfalls gegen Kollektivstrafen und Pauschalverurteilung einzusetzen!
Wir sehen insbesondere diese aktuell zur Diskussion stehenden Vorschläge kritisch:
- Eingriffe in das Ticketing: flächendeckende Reduzierungen von Gästekontingenten bei sogenannten Risikospielen, personalisierte Tickets mit verpflichtender Nutzer:innen-Identifikation
- Einrichtung einer bundesweiten zentralen Stadionverbotskommission
- Einsatz KI-gestützter Überwachungssysteme und Gesichtsscanner in den Stadien
Derartige Maßnahmen würden aus unserer Sicht viele friedliche Fans unverhältnismäßig treffen und zur weiteren Entfremdung zwischen Institutionen und Fangruppen beitragen.
Die faktische Abschaffung von Stehplätzen würde zudem Vereine wie unsere dazu zwingen, ganze Sektoren in unseren Stadien zu schließen – darunter jene Blöcke, in denen traditionell die bei uns aktiven Fangruppen ihren Platz haben und unsere Teams immer wieder lautstark sowie kreativ unterstützen. Als Vereine, die nicht in der Bundesliga spielen und somit von TV-Geldern kaum profitieren, sind wir noch viel mehr auf Zuschauer:innen angewiesen, auch um Einnahmen im Spielbetrieb zu erzielen. Unsere Stadien so umzubauen, dass eine personalisierte Sitzplatzvergabe möglich wäre, wäre für uns – wie sicher für die allermeisten Vereine in unseren Ligen – finanziell nicht abbildbar.
Wir stellen uns auch klar gegen die Einrichtung einer zentralen Stadionverbotskommission, die Stadionverbote bundesweit prüfen oder aussprechen und gleichzeitig die Entscheidungsbefugnisse der Vereine und lokalen Kommissionen einschränken könnte. Besonders bedenklich finden wir, dass künftig bereits nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens – also ohne rechtskräftige Verurteilung – ein Stadionverbot geprüft bzw. erteilt werden soll. Die Möglichkeiten für Betroffene, sich im Falle ungerechtfertigter Beschuldigungen zu wehren, werden hierdurch ohne Not erheblich eingeschränkt. Das ist mit dem Prinzip der Unschuldsvermutung nicht vereinbar.
Wir sprechen uns gegen pauschale und undifferenzierte Stadionverbote aus. Die bestehenden lokalen Stadionverbotskommissionen haben sich bewährt – sie kennen die individuellen Situationen, beteiligten Personen und lokalen Gegebenheiten und können deshalb verantwortungsvoll und differenziert entscheiden. So hat beispielsweise der SV Babelsberg 03 in diesem Sommer mit Vertreter:innen des Vereins, der Fans und des Fanprojekts gemeinsam eine lokale Stadionverbotssatzung erarbeitet – das muss der Weg sein.
Kritisch blicken wir auch auf den angedachten Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie, die noch nicht einmal im öffentlichen Raum ausreichend erprobt ist. Hierdurch drohen die Stadien zu Orten ständiger Kontrolle und Datensammlung zu werden. Gesichtserkennungstechnologie widerspricht grundsätzlich dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und schränkt unzulässig das Recht auf Privatsphäre ein, insbesondere, wenn die erhobenen Daten intransparent gespeichert werden, wie es hier aus Vorerfahrungen im Kontext Fußball zu befürchten wäre.
Die genannten Maßnahmen gehen unseres Erachtens in die falsche Richtung. Wir brauchen Vertrauen und Dialog zwischen Fans, Vereinen und Behörden. Politik und Verbände dürfen nicht Misstrauen, pauschale Verdächtigungen und neue Repressionsmechanismen befördern.
Fußball lebt von Emotion, Vielfalt und Engagement vieler Menschen – gerade diese Werte gilt es in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen zu schützen. Unsere aktiven Fans sind ein elementarer Teil unserer Vereinsidentität. Deshalb sehen wir es als unsere Pflicht an, uns für eine lebendige, sichere und offene Fankultur einzusetzen. Wir hoffen, Sie stehen dabei an unserer Seite.
Für Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
SV Babelsberg 03
FC Energie Cottbus
FSV 63 Luckenwalde
